Dies hier möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
„Wir brauchen immer neue Herausforderungen und die damit einhergehenden kontrollierbaren Streßreaktionen, um uns immer besser an die vielfältigen Erfordernisse unserer Lebenswelt anpassen zu können. Wenn wir dann, vom Erfolg unserer Bemühungen in einzelnen Bereichen geblendet, starr und unachtsam zu werden beginnen, uns selbst überschätzen und uns einbilden, alles sei von uns kontrollierbar und beherrschbar, so brauchen wir ebenso dieses anhaltende Gefühl von Angst, Verzweiflung und Ohnmacht und die damit einhergehende unkontrollierbare Streßreaktion mit ihren destabilisierenden Einflüssen auf die in unserem Gehirn angelegten Verschaltungsmuster. Wie sonst könnte es uns gelingen, aus den bisherigen Bahnen unseres Denkens, Fühlens und Handelns auszubrechen und nach neuen, geeigneteren Wegen zu suchen?
Wir haben die Streßreaktion nicht deshalb, damit wir krank werden, sondern damit wir uns ändern können. Krank werden wir erst dann, wenn wir die Chancen, die sie uns bietet, nicht nutzen. Wenn wir die Herausforderungen, die das Leben bietet, vermeiden, ebenso, wie wenn wir immer wieder nur ganz bestimmte Herausforderungen suchen. Wenn wir uns weigern, die Angst zuzulassen und unsere Ohnmacht einzugestehen ebenso, wie wenn wir unfähig sind, nach neuen Wegen zu suchen, um sie überwindbar zu machen. Auch das gilt für jeden einzelnen ebenso wie für die Gemeinschaften oder Gesellschaften, die sie alle zusammen bilden“.
aus Hüther, Gerald: Biologie der Angst. Wie aus Streß Gefühle werden. – 12. Auflage 2014. Gerald Hüther ist Neurobiologe an der Universität Göttingen.